12.März 2017, Christina Bustorf
Es war Liebe auf den zweiten Blick und jetzt ist die Radiologie seine große Leidenschaft.
Das Klischee von Dunkelkammer und menschenferner Medizin steckte
einst im Kopf des jungen Arztes Christian Nitzsche. “Dabei verbringe ich
90 Prozent meiner Arbeit direkt am Patienten”, erzählt der 51-Jährige.
Es sind die Begegnungen, die Möglichkeiten der Technik und die
Abwechslung, die es dem Mediziner angetan haben. “Bloß keine Monotonie,
das kann ich nicht.”
Während seiner Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin kam das
Umdenken als er in einer radiologischen Praxis arbeitete. “Nach ein paar
Tagen ist mir bewusst geworden: ‘Du bist die ganze Zeit an den
Patienten und hast quasi operative Eingriffe vorgenommen’”, erinnert
sich Dr. Nitzsche. In der Realität war nichts geblieben vom einsamen
Arbeiten an Geräten irgendwo im Klinikkeller.
Weder verstaubt noch dunkel sind auch die aktuellen Arbeitsplätze von
Dr. Nitzsche: die radiologischen Abteilungen des
Dominikus-Krankenhauses in Reinickendorf und der Maria Heimsuchung
Caritas-Klinik Pankow. Auch das dort ansässige Medizinische
Versorgungszentrum (MVZ) leitet er mittlerweile.
Zwischen
hochmodernen Geräten in lichtdurchfluteten Räumen erläutert er die
Vorzüge seines Fachs. Er redet schnell, gestikuliert mit den Händen und
wippt mit dem Oberkörper. Still an einer Stelle stehen liegt ihm nicht,
wenn es um seine große Liebe geht.
Ein guter Radiologe müsse sehr kommunikativ sein, betont der
Chefarzt. Um einen zügigen Befund zu stellen, sei ein intensives
Patientengespräch wesentlich. “Wenn die Aufnahme nach einer
Lungenentzündung aussieht, der Patient vor mir aber einen völlig
gesunden Eindruck macht, ist klar: Der kann keine Lungenentzündung
haben”, gibt Dr. Nitzsche zu bedenken, “also müssen wir Lebensumstände,
Vorerkrankungen und ähnliches erfragen, um zu einem richtigen Befund zu
kommen. Und interdisziplinär denken, wir sind auch Partner der
Stationen”.
Einen qualifizierten, fundierten und schnellen Befund zu stellen, ist
dem Radiologen wichtig.“Wenn jemand beispielsweise wegen eines
Tumorverdachts zu uns kommt, ist derjenige in Angst und Unruhe vom Tag
des Verdachts durch den überweisenden Kollegen bis zum Befund. Da haben
wir dem Patienten gegenüber auch eine Verantwortung zu einem zügigen und
eindeutigen Ergebnis zu kommen.”
Technische Möglichkeiten, neueste Operationsmethoden und die
fortschreitende Digitalisierung im Krankenhaus üben eine enorme
Faszination auf Dr. Nitzsche aus. Sich selbst bezeichnet er als
“Technikfreak”, sowohl im Beruf als auch privat. Das müsse man in
gewisser Weise in dieser Fachrichtung auch sein, gibt er zu. “Aber es
geht hier um Menschen! Das wird in der Medizin zwischen all dem
Kostendruck leider viel zu häufig verdrängt.”
Das Menschliche ist für den Chefarzt nicht nur gegenüber Patienten
wichtig. “Ich brauche Harmonie und ein tolles Team. Das habe ich hier.”
Hierarchien spielen für ihn eine untergeordnete Rolle. Jeder muss sich
auf den anderen verlassen können und dem Chef auch mal sagen, wenn es
Anlass zur Kritik gibt. “Egal ob Hunger oder nicht, versuchen wir jeden
Tag wenigstens zehn Minuten in der Cafeteria zusammenzusitzen, um mal
privat zu reden.” Ein freundschaftliches Umfeld sei Voraussetzung, um
nach Feierabend abschalten zu können. “Zuhause möchte ich dann wirklich
Zeit für die Familie haben.”
Mit dem weißen Kittel streift Dr. Nitzsche auch seine Unruhe ab.
Privat sei er das komplette Gegenteil: “Meine Frau sagt öfter, sie könne
sich gar nicht vorstellen, wie er auf der Arbeit immer nur wirbeln
würde und ständig auf der Suche nach mehr und Neuem sei.” Zuhause in
Biesdorf liebt er die Ruhe in seinem Garten. “Wir sind viel draußen und
fahren gerne Rad, allerdings nicht in Berlin. Das machen wir vor allem
im Urlaub, zum Beispiel auf dem Elberadweg.” Im Gegensatz zur Radiologie
kann der Mediziner für die Großstadt keine rechte Leidenschaft
entwickeln. “Das ist schwierig mit uns”, sagt der Vater von zwei
erwachsenen Söhnen mit einem Augenzwinkern. Der gebürtige Mecklenburger
ist nach seinem Studium in Greifswald nur des Arbeitsplatzes wegen
Anfang der 1990er nach Berlin gekommen – und doch für seine medizinische
Liebe geblieben.
Information: Die Caritas und ihre korporativen Mitglieder
betreiben zwölf Krankenhäuser im Erzbistum Berlin. Im Rahmen dieser
Gruppe, werden Ärtzeportraits erstellt, um einen persönlichen Einblick
in die Arbeit und das Leben der Mitarbeiter dieser Krankenhäuser zu
gewähren